Die arbeitsrechtliche Haftung des Geschäftsführers ist für viele Führungskräfte ein Thema, das erst dann Beachtung findet, wenn ein Fehler bereits passiert ist. Dabei zeigen zahlreiche Urteile der vergangenen Jahre, dass Geschäftsführer heute schneller persönlich haften als je zuvor – besonders bei Organisationsmängeln, unklaren Prozessen oder schlechtem Umgang mit Personalthemen. Genau deshalb lohnt es sich, dieses Thema frühzeitig und systematisch anzugehen.
Was bedeutet arbeitsrechtliche Geschäftsführerhaftung?
Die arbeitsrechtliche Haftung des Geschäftsführers umfasst alle persönlichen Verantwortlichkeiten, die sich aus gesetzlichen Pflichten im Umgang mit Mitarbeitenden ergeben. Dazu gehören unter anderem Kündigungen, Arbeitsschutz, Lohnzahlung und Compliance.
Gesetzliche Grundlagen
Geschäftsführer haften insbesondere nach:
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§ 43 GmbHG (Sorgfaltspflichten)
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BGB (Schadenersatz, Vertragsverletzungen)
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ArbSchG (Arbeitsschutz)
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MiLoG, SGB IV (Sozialversicherung)
Diese Normen setzen hohe Anforderungen an Organisation, Prävention und Dokumentation
Persönliche vs. unternehmerische Haftung
Während bei vielen Verstößen das Unternehmen haftet, greifen persönliche Haftungsrisiken, wenn:
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der Geschäftsführer organisatorische Pflichten verletzt,
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er Arbeitsrechte missachtet,
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oder wesentliche Maßnahmen unterlässt (z. B. Unterweisungen).
Organisationsverschulden als Schlüsselbegriff
Gerichte prüfen nicht nur, was passiert ist, sondern warum. Fehlten Prozesse? Gab es keine klaren
Zuständigkeiten?
Dann heißt es oft: persönliche Haftung.
Warum Geschäftsführer heute schneller persönlich haften
Entwicklung der Rechtsprechung
Gerichte haben in den letzten Jahren ihre Anforderungen erhöht. Besonders in Bereichen wie Kündigungen, Arbeitsschutz und Compliance müssen Geschäftsführer beweisen, dass sie ihre Pflicht ernst nehmen.
Zunehmende Anforderungen an Compliance
Ein funktionierendes System zur Vorbeugung von Verstößen gehört heute zum Standard – auch im Mittelstand.
Strengere Dokumentationspflichten
„Mündlich geregelt“ gilt vor Gericht praktisch nicht mehr.
Pflichtverletzungen bei Kündigungen
Die arbeitsrechtliche Haftung des Geschäftsführers zeigt sich hier besonders deutlich.
Fehlerhafte Betriebsratsanhörungen
Wird der Betriebsrat nicht korrekt angehört, sind Kündigungen unwirksam – mit oft teuren Folgen.
Sozialauswahl & Abmahnungen
Unsaubere Prozesse führen zu Regressforderungen gegen den Geschäftsführer.
Typische Dokumentationsfehler
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Keine Leistungsprotokolle
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Fehlende Gesprächsnotizen
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Unklare Abmahninhalte
Wichtige Urteile
Gerichte betonen regelmäßig: Fehlende Struktur = Organisationsverschulden.
Verstöße gegen Arbeitsschutz und Fürsorgepflicht
Gefährdungsbeurteilungen
Sie sind Pflicht – und müssen schriftlich vorliegen.
Unterweisungen
Mehrere Urteile zeigen:
„Mündliche Schulung“ ist kein gültiger Nachweis.
Haftung bei Unfällen
Kommt es zu Verletzungen, trifft es häufig den Geschäftsführer persönlich.
Compliance-Pflichten des Geschäftsführers
Prävention gegen Mobbing & Diskriminierung
Unternehmen müssen Strukturen haben – sonst haftet die Führung.
AGG-Beschwerdestellen
Fehlen diese, verstärkt sich das Haftungsrisiko.
Schulungspflichten
Auch kleine Unternehmen brauchen dokumentierte Awareness-Schulungen.
Scheinselbstständigkeit als Haftungsfalle
Kriterien der Gerichte
Entscheidend ist die gelebte Realität, nicht der Vertrag.
Typische Fehler
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Eingliederung ins Team
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feste Arbeitszeiten
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Nutzung interner Tool
Regress bei Beiträgen
Oft wird direkt gegen den Geschäftsführer vorgegangen.
Lohnzahlung, Mindestlohn & Insolvenznähe
Haftung für verspätete Gehälter
Ein häufiger Auslöser persönlicher Haftung.
Verstöße gegen das Mindestlohngesetz
Liquiditätsengpässe früh erkennen
Hier entscheiden wenige Wochen über Haftung oder Freistellung.
Drei reale Praxisfälle aus der Unternehmenswelt
Fall 1 – Kündigung ohne Betriebsratsanhörung
Unwirksame Kündigung → Lohnnachzahlungen → persönlicher Regress.
Fall 2 – Arbeitsunfall durch fehlende Unterweisung
Gericht erkennt: Organisationsverschulden.
Fall 3 – Schein-Freelancer im Marketing
Fünfstellige Nachzahlungen – Geschäftsführer haftet anteilig persönlich.
Wie Geschäftsführer Haftungsrisiken wirksam vermeiden können
Strukturelle Maßnahmen
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klare Prozesse
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schriftliche Nachweise
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angepasste Verantwortlichkeiten
Checklisten & Abläufe
Besonders wichtig bei Kündigungen und freien Mitarbeitenden.
Digitale Tools als Hilfsmittel
HR-Software, Arbeitsschutztools, Compliance-Management.
Praxis-Checkliste für Geschäftsführer
Sofort umsetzbar
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Gefährdungsbeurteilungen aktualisieren
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Kündigungsprozesse schriftlich festlegen
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Schulungsnachweise sammeln
Monatliche Routinen
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Lohnlauf prüfen
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Vertragsstatus externer prüfen
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Beschwerdemanagement überwachen
Dokumentationspflichten
Alles schriftlich – wirklich alles.
FAQ – Häufige Fragen zur arbeitsrechtlichen Geschäftsführerhaftung
Kann ein Geschäftsführer für Kündigungsfehler persönlich haften?
Ja, wenn strukturelle oder grobe Fehler nachgewiesen werden.
Was passiert bei fehlenden Arbeitsschutzunterweisungen?
Es droht persönliche Haftung – besonders bei Arbeitsunfällen.
Haftet ein Geschäftsführer für Scheinselbstständigkeit?
Ja, bei Vorsatz oder Fahrlässigkeit.
Reicht ein Compliance-System „light“?
Wenn es wirksam ist: ja.
Wann haftet der Geschäftsführer bei Lohnverspätung?
Sobald Organisationsversagen vorliegt.
Helfen externe HR-Dienstleister?
Sie unterstützen, ersetzen aber nicht die Pflichten des Geschäftsführers.
DEMUTH fasst zusammen
Geschäftsführer haften heute schneller persönlich, als viele denken. Ob Kündigungen, Arbeitsschutz, Scheinselbstständigkeit oder Mindestlohnthemen – entscheidend ist, dass Geschäftsführer klare Strukturen, saubere Prozesse und nachweisbare Dokumentation schaffen. Die meisten Risiken lassen sich mit einfachen, aber konsequenten Maßnahmen vermeiden.
Externer Link:
Mehr zu Arbeitsschutzpflichten: https://www.baua.de
